Wirtschaftliche Vernunft gegen politisches Zögern
Nach über 25 Jahren Verhandlungen steht das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay an einem entscheidenden Punkt. Die Europäische Kommission hat zuletzt mehrfach betont, das Abkommen noch im Jahr 2025 unterzeichnen zu wollen. Die kommenden Wochen sind damit nicht nur eine formale Schlussphase, sondern eine zentrale Weichenstellung für Europas Handels- und Wirtschaftspolitik
Warum ein Zögern gerade jetzt ein völlig falsches Handeln ist
Die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Zunehmender Protektionismus, fragile Lieferketten und geopolitische Spannungen prägen den internationalen Handel. Für die EU, insbesondere für exportorientierte Volkswirtschaften wie Österreich, ist der Zugang zu stabilen, verlässlichen Märkten daher von zentraler Bedeutung.
Aus Sicht des Wirtschaftsbundes ist klar: Ein Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens noch 2025 wäre ein wichtiges Signal wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit. Europa kann es sich nicht leisten, weitere Jahre mit internen Blockaden zu verlieren, während andere globale Akteure ihre Handelsbeziehungen konsequent ausbauen.
Wie die Abstimmung erfolgt – und warum ein Abschluss 2025 möglich ist
Entgegen einer oft verbreiteten Annahme ist für die Unterzeichnung des Abkommens keine Einstimmigkeit aller EU-Mitgliedstaaten erforderlich. Auf EU-Ebene genügt eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten, die gemeinsam zumindest 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Damit ist ein formaler Abschluss auch dann möglich, wenn einzelne Länder am Widerstand festhalten
Parallel dazu befasst sich das Europäische Parlament mit dem Abkommen. Zwar wird die endgültige parlamentarische Zustimmung erst für Anfang 2026 erwartet, doch bereits 2025 fallen entscheidende politische Vorentscheidungen: Dazu zählt insbesondere der Beschluss zusätzlicher Schutzklauseln für sensible Agrarbereiche, die als politischer Kompromiss gedacht sind
Politische Hindernisse: Nationale Interessen bremsen europäische Entscheidungen
Der größte Widerstand kommt derzeit aus Frankreich, wo innenpolitischer Druck aus der Landwirtschaft eine zentrale Rolle spielt. Paris fordert eine Verschiebung der Unterzeichnung und weitere Nachbesserungen, obwohl bereits umfangreiche Schutzmechanismen vorgesehen sind. Der Versuch, eine Sperrminorität gegen das Abkommen zu organisieren, verdeutlicht die Spannungen zwischen nationaler Innenpolitik und europäischer Gesamtverantwortung
Auch Österreich zählt weiterhin zu den Gegnern des Abkommens. Grundlage ist ein Nationalratsbeschluss aus dem Jahr 2019, der die Bundesregierung an ein Nein bindet. Dieser Beschluss stammt jedoch aus einer Zeit vor Pandemie, Energiekrise, Ukrainekrieg und der aktuellen geoökonomischen Neuordnung. Inhalt und Rahmenbedingungen des Abkommens haben sich seither weiterentwickelt. Die politische Position hingegen bislang kaum
Aus Sicht des Wirtschaftsbundes ist diese Situation kritisch: Politische Entscheidungen müssen regelmäßig an die wirtschaftliche Realität angepasst werden. Ein Festhalten an Positionen aus dem Jahr 2019 wird den heutigen Herausforderungen für Unternehmen nicht gerecht.
Schutz der Landwirtschaft: legitim – aber kein Blockadeinstrument
Der Schutz der europäischen Landwirtschaft ist ein berechtigtes Anliegen. Genau deshalb wurden im EU-Mercosur-Abkommen spezifische Schutzmechanismen verankert. Diese ermöglichen es der EU, bei starken Importanstiegen oder Preisverwerfungen rasch gegenzusteuern und Zölle wieder einzuführen. Betroffen sind sensible Produkte wie Rindfleisch, Geflügel, Zucker oder Ethanol
Was jedoch problematisch ist, ist die politische Praxis, die Landwirtschaft als generelles Argument gegen offenen Handel zu instrumentalisieren. Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik muss Industrie, Dienstleistungen, Landwirtschaft und Konsumenten gemeinsam betrachten. Dauerhafte Blockaden helfen keinem dieser Bereiche.
Geopolitische Dimension: Europas Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
In den Mercosur-Staaten wächst zunehmend das Unverständnis über das europäische Zögern. Dort wird sehr genau beobachtet, wie die EU intern ringt, während andere Partner, so insbesondere China und die USA, ihre wirtschaftliche Präsenz ausbauen. Ein Scheitern oder erneutes Aufschieben des Abkommens würde nicht nur wirtschaftliche Chancen kosten, sondern auch Vertrauen und geopolitischen Einfluss
Für Europa wäre das ein fatales Signal: Wer internationale Partnerschaften jahrelang verhandelt und sie dann auf den letzten Metern scheitern lässt, schwächt seine Position in zukünftigen Handelsgesprächen nachhaltig.
Unsere Position: Jetzt entscheiden – verantwortungsvoll und zukunftsorientiert
Der Wirtschaftsbund spricht sich klar dafür aus, die Entscheidung über das EU-Mercosur-Abkommen noch 2025 zu treffen. Nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus wirtschaftspolitischer Verantwortung gegenüber Betrieben, Beschäftigten und dem Standort Europa.
Ein weiterer Aufschub würde Unsicherheit verlängern, Chancen verzögern und Europas wirtschaftliche Handlungsfähigkeit infrage stellen. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die auf stabile Rahmenbedingungen angewiesen sind, braucht es klare Entscheidungen statt permanenter Vertagung.
Die Abstimmung über das EU-Mercosur-Abkommen ist damit mehr als ein handelspolitischer Formalakt. Sie ist ein Gradmesser dafür, ob die europäische Union bereit ist, wirtschaftliche Vernunft über nationale Blockadepolitik zu stellen und Verantwortung für die Zukunft ihrer über 450 Millionen Einwohner
Steiermark-Fokus: Warum Mercosur für unseren Standort wichtig ist
Die Steiermark ist eine der exportstärksten Industrie- und Gewerberegionen Österreichs. Gerade Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau, Fahrzeug- und Zulieferindustrie, Metallverarbeitung, Umwelt- und Energietechnologien sind stark international ausgerichtet. Genau diese Branchen sind es auch, die zusammen für drei Viertel der heimischen Exporteinnahmen sorgen. Für viele steirische Betriebe ist Südamerika bereits heute ein attraktiver Wachstumsmarkt.
Das EU-Mercosur-Abkommen würde Zölle senken, Markteintritte erleichtern und Planungssicherheit schaffen – besonders wichtig für kleine und mittlere Unternehmen, die auf stabile Rahmenbedingungen angewiesen sind. Jeder zusätzliche Export stärkt Wertschöpfung und Beschäftigung im Land.
Aus Sicht des Wirtschaftsbundes Steiermark ist daher klar: Ein Abschluss des Abkommens noch 2025 liegt im Interesse des Wirtschaftsstandorts Steiermark. Dauerhafte Blockaden schaden vor allem jenen Betrieben, die international wettbewerbsfähig bleiben müssen.