Unerwünschte Teilzeit-Anreize im österreichischen Steuersystem

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Unerwünschte Teilzeit-Anreize im österreichischen Steuersystem

12. Jan. 2024 | Allgemein

Das heimische Steuer- und Abgabensystem ist ein weitreichendes Netzwerk, dessen Auswirkungen oft unterschätzt werden. Es sind nicht nur die offensichtlichen finanziellen Aspekte, die durch diese Regularien beeinflusst werden. Sie haben auch die versteckte Macht, Arbeitsmuster in unserer Bevölkerung zu formen und zu verändern. Zum Beispiel beim Thema Teilzeit-Arbeit.

Wussten Sie, dass Regelungen in den Bereichen Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge wesentlichen Einfluss darauf haben können, ob eine Person eine Beschäftigung aufnimmt und wie viele Stunden sie beabsichtigt zu arbeiten? Es mag fast unglaublich klingen, aber verschiedene Aspekte unseres Einkommensteuer- und Sozialversicherungssystems fördern tatsächlich die Teilzeitarbeit überdurchschnittlich stark. Es mag in vielen Fällen eine hervorragende Lösung sein, aber es stellt sich auch die Frage, ob dieses System nicht Vollzeitarbeit hemmt und die berufliche Weiterentwicklung von Arbeitnehmer:innen behindert.

Fakt ist: 30,5% der österreichischen Bevölkerung befinden sich in Teilzeitbeschäftigungen. Damit ist Österreich im EU-weiten Vergleich auf dem zweiten Platz. Doch ist dies das Ergebnis der individuellen Entscheidungen der Arbeitnehmer:innen oder das Produkt eines voreingenommenen Systems?

Teilzeit erhöhne: mehr Arbeit, weniger Lohnsteigerung

Nehmen wir als Beispiel eine Teilzeitkraft in Österreich mit durchschnittlichem Gehalt. Dieser Arbeitnehmer möchte die wöchentliche Arbeitszeit von 20 auf 30 Stunden erhöhen, was einer Steigerung von 50% entspricht. Das Ergebnis? Ein nur mäßiger Anstieg von 28,9% beim Nettolohn. Mehr Arbeit, weniger Lohnsteigerung – kaum ein überzeugender Anreiz.

Was ist, wenn diese Arbeitskraft ihre Wochenarbeitszeit verdoppelt und eine Vollzeitstelle anstrebt? Selbst in dieser Situation bleibt der Nettolohnanstieg mit 61,1% hinter der gesteigerten Arbeitslast zurück. Diese Zahlen sind die zweitschlechtesten aller EU-Länder.

Zum Vergleich: In Deutschland führt die gleiche Erhöhung der Wochenarbeitszeit zu einer Erhöhung des Nettolohns um 39% bzw. 75,4%. In Dänemark sogar um 44,1% bzw. 86,3%.

Unser Fazit? Das österreichische Einkommensteuer- und Sozialversicherungssystem hemmt Arbeitnehmer:innen, die ihre Arbeitszeit erhöhen oder eine Vollzeitarbeit annehmen möchten. Um diese Schieflage zu korrigieren, könnten ein leistungsgerechteres Einkommensteuersystem und wirksame Anreize für Arbeitnehmer:innen sinnvoll sein. Ein Vollzeitabsetzbetrag oder -freibetrag sowie eine Milderung der Progression könnten wirksame Instrumente sein, um diesem Trend entgegenzuwirken und Vollzeitarbeitsplätze attraktiver zu gestalten.

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